Ein Verkehrsunfall kann innerhalb von Sekunden den Alltag auf den Kopf stellen. Noch schwieriger wird es, wenn anschließend keine Einigkeit über den Hergang besteht. Während der eine Beteiligte auf seiner Sicht beharrt, fühlt sich der andere ungerecht behandelt, insbesondere dann, wenn es um die Schuldfrage geht. Nicht selten wird aus einem klaren Sachverhalt schnell eine komplexe Angelegenheit, die Geduld, Faktenwissen und juristische Unterstützung verlangt.
In diesem Ratgeber geben wir Ihnen einige Tipps an die Hand, wie Sie sich nach einem Unfall verhalten sollten. Dabei gehen wir darauf ein, warum die Klärung der Schuldfrage wichtig ist, welche Beweise Sie sichern und dokumentieren sollten und welche Rolle Anwälte und Gutachter spielen.
Warum die Schuldfrage oft umstritten bleibt
2024 wurden vom Statistischen Bundesamt 2,51 Millionen Unfälle auf den Straßen in Deutschland erfasst. In der Theorie sollte der Unfallort bereits Klarheit über die jeweilige Unfallsituation schaffen, da hier Kennzeichen, Versicherungsdaten und Aussagen der Beteiligten dokumentiert werden.
Doch die Praxis sieht oft anders aus: Häufig bleibt es bei widersprüchlichen Versionen des Unfallhergangs, es fehlen Zeugen oder einer der Beteiligten widerruft sein Schuldanerkenntnis später wieder. Statt einer schnellen Einigung kommt es oft zu einem mühsamen Streit um Fakten, Beweise und rechtliche Einschätzungen.
Einige Unfallgegner gestehen die Schuld anfangs ein und ändern später ihre Meinung; andere streiten bereits am Unfallort alles ab. In Einzelfällen bleibt sogar nur Aussage gegen Aussage. Diese Konstellation kann die Regulierung des Schadens erheblich verzögern.
Die Klärung der Schuldfrage ist jedoch notwendig, um zu klären, wessen Kfz-Versicherung für den entstandenen Schaden am Auto der geschädigten Person aufkommen muss.
Hinweis: Kommt es zu keiner Einigung, steht häufig nur die sogenannte „Quotelung“ im Raum. Dabei teilen die Versicherungen die Kosten beispielsweise 50/50, selbst wenn ein klarer Schuldiger vermutet wird, dieser aber nicht bewiesen werden kann.
Wie sich Betroffene richtig verhalten
Nach einem Unfall gilt es, den Vorfall und die Unfallspuren möglichst genau zu dokumentieren, um diesen leichter rekonstruieren zu können. Wichtige Maßnahmen nach einem Unfall sind deshalb folgende:
- sofort Unfallstelle, Fahrzeuge und markante Spuren fotografieren
- Sichern der Zeugen und ihrer Kontaktdaten
- Unfallbericht anfertigen, der idealerweise über die Unterschrift beider Parteien verfügt
- bei Unsicherheit, Uneinigkeit oder schweren Schäden: Polizei rufen, damit der Unfall polizeilich aufgenommen wird
Gerade bei komplizierten Sachverhalten oder widersprüchlichen Aussagen sind Fotos und eine möglichst genaue Dokumentation entscheidend für die spätere Klärung. Bremsspuren, Standorte und Fahrzeugschäden können wichtige Hinweise liefern, wenn es später um die Rekonstruktion des Unfallhergangs geht.
Außerdem ist es wichtig, dass Sie den Unfallbericht neutral formulieren und keine Schuldzuweisungen in diesem vorgenommen werden.
Das Einschalten der Polizei ist vor allem bei größeren Unfällen wichtig, da sie den Unfallhergang neutraler bewertet als die Beteiligten. Die Hinweise können so objektiv dokumentiert und zur Klärung der Schuldfrage herangezogen werden.
Hinweis: Eine der wichtigsten Grundregeln lautet: Am Unfallort sollten Sie niemals vorschnell ein Schuldanerkenntnis unterschreiben. Der erste Schock kann die Wahrnehmung verzerren, sodass Sie für möglicherweise Schäden einstehen, für die Sie nicht verantwortlich sind.

Melden Sie den Unfall innerhalb einer Woche Ihrer Versicherung, um eine Verweigerung der Kostenübernahme auszuschließen.
Weshalb spielen Gutachter und Experten eine wichtige Rolle?
Wenn der Unfallgegner beharrlich bestreitet, schuldhaft gehandelt zu haben, kommen Sie allein häufig an Ihre Grenzen. In einem solchen Fall profitieren Sie davon, frühzeitig einen guten Rechtsanwalt einzuschalten. So lassen sich Ansprüche gezielt sichern und gegenüber Versicherungen oder vor Gericht vertreten. Ein erfahrener Jurist hilft Ihnen dabei, Beweise zu sammeln, Gutachten einzuholen und bei Bedarf auch außergerichtliche Vereinbarungen zu erzielen.
Ein detailliertes Unfallgutachten ermöglicht es, offene Fragen zu klären. Sachverständige analysieren Spuren und Beschädigungen objektiv und können wichtige Hinweise zur Schuldfrage liefern. Dieses Gutachten ist oft für Gerichte und Versicherungen ein entscheidendes Beweisstück.
Hinweis: Bei einem professionellen Gutachten stellt sich häufig die Frage, wer finanziell für dieses aufkommen muss. In der Regel übernimmt die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers die Kosten, wenn die Schuld zweifellos ihm liegt. Tragen beide Parteien eine Mitschuld, werden auch die Kosten je nach Einzelfall anteilig aufgeteilt.
Ein Streit um die Schuldfrage nach einem Unfall ist zwar unangenehm, aber kein Grund zur Resignation. Eine sorgfältige Dokumentation, frühzeitige Kontaktaufnahme zur eigenen Versicherung und die rechtzeitige Einschaltung von Experten schaffen Fakten und helfen auch dabei, einen Unfall gut zu überstehen.

Stellen Sie in jedem Fall Ihre eigene Sicherheit und die des Unfallgegners an erste Stelle. Nutzen Sie ein Warndreieck und Warnwesten, um sich vor weiteren Unfällen zu schützen.
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